Klimaklage: Kinder klagen ihr Recht auf wirksamen Klimaschutz ein!

Gemeinsam mit der Rechtsanwältin Michaela Krömer und mit Unterstützung von Fridays For Future und dem Verein CLAW sind zwölf Kinder und Jugendliche gegen die Bundesregierung vor Gericht gezogen.

Worum geht es?

Rechte der Kinder sind in Österreich besonders geschützt: Sie stehen in der Verfassung. Diese Rechte sind an die UN-Kinderrechtskonvention angelehnt und sollen garantieren, dass kein anderes Gesetz unsere Zukunft in Gefahr bringt.

Das aktuelle Klimaschutzgesetz wurde jedoch erlassen, ohne diese Rechte zu berücksichtigen. Denn es führt nicht zum notwendigen Rückgang der Treibhausgasemissionen, und gefährdet damit unsere Zukunft.

Deswegen haben wir die verfassungswidrigen Passagen des Klimaschutzgesetzes vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpft. Der VfGH hat die Klimaklagen zweimal aus formellen Gründen zurückgewiesen und sich somit inhaltlich nicht damit befasst. Doch die große Unterstützung der Klagen und auch die erfolgreiche Klimaklage der Schweizer KlimaSenior*innen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zeigt: Schritt für Schritt kommen wir an den Punkt, wo auch Gerichte angemessene Antworten auf eine der größten Krisen unserer Zeit finden müssen.

Wir hören daher nicht auf, für unsere Zukunft zu kämpfen. Wir fordern Generationengerechtigkeit ein - jetzt mehr denn je!




Barsam, Levi, Matilda, Smilla, Franziska und Lena sind sechs der Kläger*innen. Sie vertreten die Klimaklage nach außen.

Die Kläger*innen

Ben (8) und Vincent (10) erforschen gerne die Natur. Emma (10), Levi (16), Lilith (12) und Matilda (14) singen in einer Band oder spielen ein Instrument, Barsam (16) und Laurenz (15) machen gerne Sport, Smilla (15) und Franziska (16) tanzen, Lena (16) taucht für ihr Leben gerne in die Bücherwelt ab und Wilhelmina (5) liebt es, wenn ihr jemand aus ihren Büchern vorliest. Doch sie alle verbringen auch viel Zeit damit, sich Sorgen zu machen, denn die Klimakrise bedroht ihre Zukunft. Dabei haben sie ein Recht darauf, auch in Zukunft sicher und glücklich leben zu können. Dafür braucht es ein wirksames Klimaschutzgesetz. Daher sind die insgesamt zwölf Kinder und Jugendlichen im Alter von 5 bis 16 Jahren vor den Verfassungsgerichtshof gezogen.




Klimaanwältin Michaela Krömer

Klimaanwältin Michaela Krömer kämpft seit einigen Jahren auf dem Gerichtsweg für eine lebenswerte Zukunft. So vertrat sie beispielsweise mehr als 8.000 Kläger:innen vor dem Verfassungsgerichtshof gegen klimaschädliche Subventionen und für mehr Rechtsschutz. Gegenwärtig vertritt sie außerdem Mex M. vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der für einklagbaren Klimaschutz kämpft.




Zeitplan

21. Februar 2023

Einreichung

Wir reichen unseren Antrag beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein.

Juni 2023

Behandlung

Der Verfassungsgerichtshof hat unsere Klimaklage in der 2. Quartals-Sitzung behandelt.

27. Juni 2023

Entscheidung

Der VfGH hat die Klimaklage aus formellen Gründen zurückgewiesen.

November 2023

Neue Einreichung der Klimaklage beim VfGH

Nach der Zurückweisung unserer Klimaklage im Sommer haben wir erneut einen neuen, abgeänderten Antrag beim Höchstgericht gemeinsam mit Michaela Krömer eingebracht.

Juni 2024

Behandlung

Der Verfassungsgerichtshof hat unsere Klimaklage 2.0 behandelt.

Juni 2024

Entscheidung

Der VfGH hat die Klimaklage 2.0 erneut aus formellen Gründen zurückgewiesen.

Kinderrechte in der Verfassung

Jedes Kind hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.
Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern - Artikel 1

Klimaklage 2.0 - Was ist passiert?

Nachdem die Klimaklage der Kinder und Jugendlichen im Juni 2023 vom VfGH aus formellen Gründen erstmals zurückgewiesen worden war, wurde die Klimaklage ausführlich überarbeitet und im November 2023 erneut eingereicht. Jedoch hat der VfGH den Antrag neuerlich aus formalen Gründen abgelehnt und sich somit wieder inhaltlich nicht damit befasst. Im Gegensatz zu anderen Höchstgerichten, die Klimaklagen abgelehnt haben, können aus den Argumenten dieser Entscheidung auch keine Lehren gezogen werden. Ein lehrreiches Beispiel war das Urteil des EGMR zur Klimaklage der portugiesischen Kinder und Jugendlichen. Bei dieser Entscheidung wurden die Anliegen der Kinder und Jugendlichen ernst genommen und sie lieferte eine Handlungsanleitung, wie Verfahren geführt werden können, um in Zukunft Erfolgschancen zu haben.

Die Klimaanwältin Michaela Krömer ordnet das Urteil zur Klimaklage 2.0 des VfGH wie folgt ein: "Diese Entscheidung versäumt es erneut, zu erklären, wie Generationengerechtigkeit hinsichtlich der Klimakrise eingefordert werden kann. Auch eine Ablehnung könnte konstruktiv sein, jedoch verschafft diese Entscheidung keine Klarheit. Damit besteht das Risiko, dass unser Rechtssystem den Anschluss zur aktuellen Realität verliert. Im Gegensatz dazu stehen andere Höchstgerichte weltweit und national, die ein Recht auf Klimaschutz bekräftigen.”

Ein Lichtblick bietet  Ende Juni 2024 die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), welcher der Klimaklage von Mex M. gegen Österreich “priority status” verliehen hat. Diese Entwicklung unterstreicht die Relevanz der Thematik und öffnet Türen für ein potenziell bahnbrechendes Urteil.

Alles weitere zur Klimaklage von Mex M. vorm EGMR findest du hier: #FightForYourHumanRight - Europäische Klimaklage (fridaysforfuture.at)

FAQ

Warum bekämpfen wir das aktuelle Klimaschutzgesetz?

Das derzeit gültige Klimaschutzgesetz (KSG) setzt seit 2021 überhaupt keine Treibhausgasziele fest. Die gesetzlichen Verpflichtungszeiträume gehören der Vergangenheit an. Darüber hinaus werden Maßnahmen, die zur Verringerung der Emissionen führen sollen, nicht anhand ihrer bewirkten Treibhausgas-Einsparung bewertet. Auch die Wirksamkeit der Maßnahmen kann nicht überprüft werden. Grundsätzlich besteht dem Gesetz nach nur eine Verhandlungs- und keine Umsetzungspflicht. Zu kritisieren ist auch das Fehlen von externen Kontrollmechanismen, die fehlende Einbindung eines Wissenschaftsgremiums, sowie eine mangelnde Aufteilung der Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern. Leider können wir nicht alle Punkte im Rahmen eines Individualantrages vor dem Verfassungsgerichtshof geltend machen. Insgesamt wird jedenfalls das Ziel des Gesetzes, nämlich "eine koordinierte Umsetzung wirksamer Maßnahmen zum Klimaschutz", offenkundig nicht erreicht.

Was bedeutet die Klimakrise heute für uns?

Wir steuern auf eine Welt zu, in der unser Leben in Gefahr ist. Werden wir nicht rechtzeitig aktiv, führt die Klimakrise zu Hunger, mehr Armut, mehr Migration, zum Kollaps von Staaten und zu Kriegen. Alle Weltregionen, auch Europa, sind durch die Klimakrise bedroht.

Warum ist es wichtig, die Erderhitzung auf +1.5°C zu beschränken?

Um die Auswirkung der menschengemachten Klimakrise gering zu halten, hat sich die Politik im Pariser Klimaabkommen 2015 dazu verpflichtet, die Erderhitzung bei +1.5°C zu stoppen. Bei Überschreiten der 1,5°C-Marke erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass Kipppunkte im Klimasystem unumkehrbar überschritten werden.

Schon heute, bei +1,2°C, leiden und sterben täglich Kinder in stark betroffenen Weltregionen an der Klimakrise. In Österreich beträgt der bisherige Anstieg der Erderhitzung sogar über +1,2°C.
Mit jedem weiteren Zehntel Grad wird die Erderhitzung gefährlicher und betrifft mehr Menschen in hohem Ausmaß.

Um den Temperaturanstieg auf +1.5°C zu begrenzen ist die Menge der Emissionen entscheidend, die wir als Menschheit ab dem heutigen Tag noch ausstoßen. Teilt man das verbleibende globale Treibhausgasbudget pro Kopf auf, standen Österreich Anfang 2022 nur noch 280 Mio Tonnen Treibhausgase zu, da Österreich grob ein Tausenstel der Weltbevölkerung ausmacht. Diese 280 Mio Treibhausgase, die Österreich noch zur Verfügung stehen, sind beim aktuellen Ausstoß von 78 Mio Tonnen Mitte 2025 aufgebraucht ist. Das österreichische Treibhausgasbudget sollte fairerweise auch im Klimaschutzgesetz berücksichtigt werden.

Warum müssen wir uns für Klimaschutz einsetzen?

Unsere Zukunft wird heute entschieden. Die Treibhausgasemissionen müssen jetzt sinken, denn Kohlenstoffdioxid (CO2), das häufigste Treibhausgas, verbleibt sehr lange in der Atmosphäre und verursacht damit den Treibhauseffekt für eine lange Zeit.
Deswegen fordern wir für den Schutz unserer Zukunft Generationengerechtigkeit ein: Die heutige Politik sollte nicht auf Kosten der Zukunft den Ausstoß von beliebig viel CO2 erlauben dürfen!

Warum betrifft der Klimawandel besonders Kinder und ihre Rechte?

99% aller Kinder weltweit sind laut UNICEF zumindest einer Auswirkung des Klimawandels ausgesetzt. Fast die Hälfte aller Kinder - ca. 1 Milliarde - gilt als extrem stark durch die Klimakrise gefährdet. Sie leiden oft bereits jetzt unter Wasserknappheit, Dürren, starker Luftverschmutzung oder anderen Klimakatastrophen, wie Überschwemmungen, Hitzewellen oder Zyklonen.
Dabei haben Kinder aber ein Recht auf Leben und auf angemessene Lebensbedingungen, wofür eine gesunde Umwelt maßgeblich ist. Ein direkt in der UN-Kinderrechtskonvention verankertes Recht auf eine intakte Umwelt gibt es zwar noch nicht. Der UN-Kinderrechtsausschuss hat 2021 jedoch angemerkt, dass Staaten Verantwortung für die negativen Auswirkungen von Treibhausgas-Emissionen auf Kinder übernehmen müssen. Mit dieser Klage wollen wir erreichen dass Österreich diese Verantwortung übernimmt, indem ein wirksames Klimaschutzgesetz beschlossen wird.

Auf welche besonderen Kinderrechte berufen wir uns?

Das Bundesverfassungsgesetz (BVG) über die Rechte von Kindern sieht in seinem Artikel 1 vor, dass jedes Kind einen Anspruch hat

  • auf Schutz und Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind,
  • auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung,
  • auf die Wahrung seiner Interessen,
  • auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit.

Genau diese Rechte werden verletzt wenn es die Staaten nicht schaffen, wirksame Gesetze zu erlassen, um die globale Erhitzung auf +1,5°C zu begrenzen.
Artikel 4 des BVG über die Rechte von Kindern garantiert außerdem, dass Kinder in allen Angelegenheiten, die sie betreffen, ein Recht darauf haben ihre Meinung zu sagen. Diese Meinung muss auch berücksichtigt werden.

Auch in anderen Ländern gibt es Klimaklagen. Sind alle Klimaklagen gleich?

Auch in anderen Ländern gab und gibt es zahlreiche Klimaklagen.
In Deutschland klagten ebenfalls u.a. Fridays For Future-Aktivist*innen gegen das deutsche Klimaschutzgesetz. Die jungen Beschwerdeführenden berufen sich dabei auf das Deutsche Grundgesetz, wonach der Staat “in Verantwortung für die künftigen Generationen” die natürlichen Lebensgrundlagen schützen muss. Das Deutsche Bundesverfassungsgericht urteilte 2021, dass das deutsche Klimaschutzgesetz in Teilen verfassungswidrig ist, da die Lasten für die Verringerung der Treibhausgasemissionen dadurch unumkehrbar auf den Zeitraum nach 2030 verschoben werden.

Auch portugiesische Kinder und Jugendliche klagen momentan 33 Länder vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Da die Klimakrise die Zukunft ihrer Generation gefährdet, soll der EGMR die Staaten dazu anhalten, ihre nationalen Emissionsziele deutlich zu reduzieren. Aufgrund der Dringlichkeit und Relevanz des Anliegens hat der EGMR der Beschwerde Priorität eingeräumt, das Urteil kommt hoffentlich bald.

Auch bei unserer Klimaklage geht es um Generationengerechtigkeit. Die Besonderheit Österreichs besteht jedoch darin, dass bei uns die Kinderrechte in der Verfassung festgeschrieben sind. Daher argumentieren wir: Das Klimaschutzgesetz ist verfassungswidrig und muss abgeändert werden.

Was hat Fridays for Future mit der Klimaklage zu tun?

Die von der Jugend asugehende FFF-Bewegung unterstützt die Klägerinnen bei allen organisatorischen Punkten, vor allem in der Öffentlichkeitsarbeit. Das reicht von der Webseite und Social Media-Arbeit bis hin zur Pressearbeit.
Das Ziel von FFF ist, dass Österreich den notwendigen Beitrag zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommen bringt. Dieses Ziel haben wir mit den Kläger
innen gemeinsam. FFF weist außerdem seit über vier Jahren darauf hin, dass es in Österreich kein wirksames Klimaschutzgesetz gibt.
Auch der Weltweite Klimastreik am 3. März wird sich der Klimaklage und Kinderrechten widmen. Tausende Jugendliche werden auf die Klimaklage aufmerksam machen, und für das Recht der jungen Menschen auf eine sichere und lebenswerte Zukunft auf die Straße gehen.

Was bedeutet das Urteil des VfGH?

Individualanträge an den VfGH (wie die Klimaklage der zwölf Kinder und Jugendlichen) müssen ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Der VfGH hat die Klimaklage nun aus formellen Gründen zurückgewiesen. Der Antrag sei zu eng gefasst gewesen, sodass eine Aufhebung der angefochtenen Teile die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigen würde. Das heißt, dass sich der VfGH mit den inhaltlichen Fragen der Klimaklage nicht auseinandergesetzt hat. Die Zurückweisung bedeutet in diesem Fall auch, dass die Kinder nichts tun können, um ihre in der Verfassung stehenden Rechte einklagen zu können.

Die derzeitige Situation schützt daher die Rechte der Kinder weiterhin nicht, denn es gibt nach wie vor kein wirksames Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Zielen zur Treibhausgasreduktion.