Hinter den Kulissen beim 7. Weltweiten Klimastreik in Wien
von Klara Butz
Der 7. Weltweite Klimastreik auf der Wiener Ringstraße. Wir streiken bis ihr handelt!
Es ist bunt, laut und wundervoll, wenn viele Menschen für ein gemeinsames Ziel auf die Straße gehen. Hinter einem Großereignis wie den Weltweiten Klimastreiks von Fridays For Future steckt aber auch unglaublich viel Planung. Allein an diesem Freitag, dem 19.03.2021, waren in Wien über 100 Menschen im Einsatz, damit alles reibungslos abläuft. Dabei ergeben sich einige unvorhersehbare Momente, die uns viel abverlangen. Komm mit und begleite mich durch meinen Streik-Tag!
Organisation ist nicht alles, aber ohne Organisation ist alles nichts
9:30 – Los gehts! Sämtliches Equipment muss zum Ring gebracht werden. Boxen, Kabel, Akkus, aber auch Megafone und bis zu 12 Meter lange Banner. Die letzten Sachen werden auf Lastenrädern untergebracht und schon treffen wir die anderen bei unserem internen Treffpunkt am Ring. Einen Lastenrad-Konvoi haben zuvor vermutlich die wenigsten gesehen!
10:15 – Die Freude ist groß – überall stehen die FFF-Menschen, die ich seit Beginn der Pandemie nur selten in echt gesehen habe. Ich bin mir sicher, dass mein freudiges Lächeln auch mit FFP2-Maske zu sehen ist. Nun wird weiter umgeladen, aufgeladen, und manche Personen sind sichtlich gestresst: Unserem Ton-und-Strom-Mastermind Jan fehlen 12 Mikros! Daran können wir so kurzfristig leider nichts mehr ändern, aber wo passiert das nicht? Manche Pläne gehen einfach nicht auf.
11:00 – Hast du schon einmal einen vollkommen leeren Ring gesehen? Ganz schön beeindruckend! Es ist so unglaublich ruhig, einen kurzen Moment schwärme ich davon, dass es immer so sein könnte. Aber gerade heute wollen wir den Ring ja laut hören: Weg mit dem Autolärm, hin zu Straßenmusik! Bald geht es los, neben zahlreichen Briefings werden die Sound-Systeme aufgebaut und immer wieder fetzt eine Person auf einem Fahrrad vorbei, die sich einen Überblick verschafft. Als Koordinationsperson für den Abschnitt Schottentor-Parlament erreichen mich durchgehend Anrufe von Nummern, die ich noch nicht einmal eingespeichert habe. Mit der Zeit kommen immer mehr Fragen auf: „Wo spiele ich zuerst?“, „Wir haben uns jetzt mal da platziert, passt das so eh?“, „Hey Klara, kannst du uns bitte noch Kreiden bringen?“, „Funktioniert euer Mikro?“. Und ich gehe zum dritten Mal den Abschnitt auf und ab – wieso habe ich mein Fahrrad bloß daheim gelassen?
Showtime! Der Streik beginnt
12:00 – Der Aufbau ist abgeschlossen und der Streik beginnt! Bei den ersten Bühnen höre ich schon Musik und an den fünf Knotenpunkten sammeln sich allmählich Menschen. Nun gilt es, die Leute über den gesamten Ring zu verteilen, was nicht überall reibungslos klappt, aber die Moderator*innen an den insgesamt 20 Bühnen, die auf drei Kilometer länge verteilt aufgebaut wurden, ermuntern die Streikteilnehmenden weiterhin dazu. Auch das Wetter scheint sich langsam zu bessern! Drück uns die Daumen, vielleicht regnet es ja doch nicht?
12:40 – Wir bilden eine Menschenkette. Natürlich verzögert sich im Zeitplan immer alles ein wenig, aber das ist halb so wild – vor allem, weil uns unerwarteter Weise die Sonne einen Besuch abstattet! In unseren Telegram- und Whatsapp-Gruppen versuchen wir, uns als Organisationsteam gegenseitig auf dem Laufenden zu halten. Gerade suchen wir nach unserem Filmteam, irgendwie ist es nicht dort, wo es sein sollte. Stress! Die Menschenkette steht, aber das Video nicht? Ojeoje… Wer hat den Julian gesehen? Macht Emil gerade Fotos oder Videos? Und wo ist das Lastenrad? Währenddessen sorgen Trommlerinnen für Stimmung und Ordnerinnen rufen unsere Streiksprüche on Repeat. Moderator Herbert wird am nächsten Tag bestimmt heiser sein, so animierend, wie er das macht. WHAT DO WE WANT? (A Video of the Menschenkette!)
13:20 – Bald habe ich zwischen Schottentor und dem Parlament neun Kilometer zurückgelegt. Auf meinem Handy erscheint in unregelmäßigen Abständen die Nachricht, unbedingt auf die Abstandsregelungen hinzuweisen. Unsere Moderator*innen und Ordner*innen weisen fleißig darauf hin, und die meisten Menschen halten sich daran, aber Max, unsere Kontaktperson zur Polizei, ist sichtlich nervös. Wir sprechen die Leute persönlich darauf an, die meisten Demoteilnehmenden reagieren sehr verständnisvoll und bemüht und so fühlt sich diese ermahnende Rolle gleich weniger strikt an. Am coolsten von allen wirkt unsere Logistik-Koordinatorin Emilia, sie radelt mit einem lila Citybike gelassen an den Menschen vorbei und scheint alles voll unter Kontrolle zu haben – diese Entspanntheit hätte ich gerade gerne.
13:55 – Die letzten Musikstücke werden zu Ende gespielt, während sich der Streik dem Ende neigt. Es ist unglaublich, wie viele tolle Künstler*innen uns bei diesem Streik tatkräftig unterstützt haben! So viele schöne Songs, so eine angenehme Stimmung, die verbreitet wurde!
After-Demo-Party? Aufräumen ist angesagt!
14:15 – Der Streik ist vorbei und es beginnt zu schneien. Nicht nur ein bisschen, wir stehen förmlich in einer stark geschüttelten Schneekugel. Während alle nassen Banner und die weißen Kittel unserer Ordner*innen in den Lastenrädern verstaut werden, kontrolliert Juls, ob alle Megafone den Weg zu uns zurückgefunden haben. Sämtliches Equipment wird auf Anhänger aufgeladen und in unser Lager transportiert, wo schon Leute warten, die alles an die richtigen Plätze bringen. Banner und Kittel werden im Stiegenhaus aufgehängt; die Stoffansammlung zieht sich über ganze vier Stockwerke!
16:00 - Wir sind inzwischen alle ziemlich müde, ausgekühlt und, allem voran, hungrig. Ich verabschiede mich von all den tollen Menschen, die diesen Streik ermöglicht haben. In der Straßenbahn tippe ich mit kalten, starren Fingern eine Nachricht an den ORF, denn der Tag ist noch nicht vorbei. Auch unser Social-Media-Team arbeitet weiter, das Foto-Team sortiert Fotos und stellt sie wiederum der Presse-Gruppe zur Verfügung.
22:00 – Ich bin im ORF-Studio. Corona-bedingt pudere ich mein Gesicht selbst, damit es beim Interview nicht zu stark glänzt. Dann stehe ich im leicht warmen Scheinwerferlicht vor einer Kamera und bemühe mich, konsequent in die Linse zu schauen – die ZiB-Moderatorin selbst sehe ich dort aber nicht. Ich beantworte die Fragen aus dem Nebenstudio und bin sichtlich etwas nervös. Immerhin ist das mein erstes Fernsehinterview und die Müdigkeit ist hierbei nicht besonders hilfreich. Nach gefühlt 10 Sekunden ist das Interview auch schon wieder vorüber und ich kann gehen. Ich komme gerade rechtzeitig daheim an, um mir die Ausstrahlung davon anzusehen. Anschließend falle ich erschöpft ins Bett und träume von einer klimagerechten Welt, in der wir uns an Freitagen zum Plaudern treffen, anstatt Demos auf die Beine zu stellen.