UN-Klimakonferenz in Ägypten: Wissenswertes und unsere Forderungen an die COP27
von Laurenz Berger
Von 8. bis 16. November 2022 findet in Sharm-el-Sheikh in Ägypten die 27. UN-Klimakonferenz statt. Diese Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP) dient als höchstes Entscheidungsgremium des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC), dem beinahe alle Staaten der Welt angehören. UN-Klimakonferenzen sind ungemein wichtig - so wurde 2015 auf der COP21 das Pariser Abkommen geschlossen, in dem sich Staaten zum 1,5-Grad-Ziel verpflichteten.
COP27 ist eine Wegscheide: Schon hat sich die Erde um 1,1 Grad erwärmt. Vor kurzem kam die UN zu dem Schluss, dass kein glaubwürdiger Pfad zum 1,5-Grad-Ziel existiert - stattdessen würden bestehende und versprochene Maßnahmen zu einer Erwärmung von 2-3 Grad führen.[1] Selbst UN-Generalsekretär António Guterres sagte mit Blick auf die Klimakonferenz daher: Ohne eine “historische Übereinkunft” zwischen Staaten “sind wir verloren”.[2]
Auch Österreich wird in Sharm-el-Sheikh durch Minister*innen der Bundesregierung vertreten sein. Fridays For Future Austria fordert daher von der österreichischen Bundesregierung 1) eine Erhöhung der Klimafinanzierung, 2) Ausgleichszahlungen für Loss & Damage und 3) ein Klimaschutzgesetz für Österreich!
Klimafinanzierung
Auf der COP15 in Kopenhagen 2009 versprachen Staaten des Globalen Nordens dem Globalen Süden gemeinsam ab 2020 jährlich 100 Mrd. USD an Klimafinanzierung zur Verfügung zu stellen, um die Auswirkungen der Klimakrise zu lindern und weitere Temperaturanstiege einzudämmen. Doch reiche Staaten einigten sich nicht darauf, wie viel jeder einzelne aufbringen müsste, und eine einheitliche Berechnungsmethode zur Ermittlung bereitgestellter Finanzierung gibt es nicht. Recherche des Journals Nature zeigt jedoch: Reiche Staaten stellten in keinem einzigen der Jahre von 2013-2019 auch nur annähernd 100 Mrd. USD bereit.[3] Auch 2020 wurden erst rd. 83 Mrd. USD aufgebracht - die Staaten des Globalen Nordens haben so ihr Versprechen gebrochen.[4]
Doch haben manche Staaten mehr geleistet als andere. Eine Studie des World Resources Institute (WRI) belegt: Gemessen an ihrem Bruttonationaleinkommen (BNE) müssten Staaten jährlich zumindest 0,22% ihres BNE aufbringen, um gemeinsam 100 Mrd. USD an öffentlichen Geldern zu erreichen.[5] 2018 zum Beispiel erbrachten Deutschland oder Norwegen diesen Anteil.[6] Und Österreich? Im Zeitraum von 2013 bis 2018 hat Österreich kein einziges Mal diesen Beitrag geleistet - sondern nur 0,08% bis 0,14%, also zum Teil nicht einmal die Hälfte.[7] Laut Bundesministerium für Klimaschutz (BMK) betrug Österreichs Klimafinanzierung 2018 rd. 328 Mio. EUR, 2020 dann nur noch rd. 260 Mio. EUR - so bliebe Österreich hinter diesem Ziel zurück.[8][9]
Wir fordern daher: Österreich muss sich auf der COP27 dafür einsetzen, dass der Globale Norden sein Versprechen von 100 Mrd. USD zumindest einhält und selbst seinen fairen Beitrag leisten. Denn mittlerweile ist klar: Selbst wenn eingehalten, reicht die aktuelle Klimafinanzierung zur Abmilderung und Anpassung an die Klimakrise bei weitem nicht aus. So sprach sich Südafrika für eine Erhöhung auf 750 Mrd. USD pro Jahr bis 2030 aus.[10] Auch FFF fordert: Die Klimafinanzierung muss erhöht werden!
Loss & Damage
Zusätzlich zu Abmilderung und Anpassung sind vor allem Staaten des Globalen Südens mehr und mehr mit den Schäden konfrontiert, die durch die Klimakrise entstehen. Die Überschwemmungen zum Beispiel, die infolge von schmelzenden Gletschern und extremen Regenfällen im August 2022 rund ein Drittel Pakistans unter Wasser setzten, verursachten Schäden von rund 30 Mrd. USD.[11] Für Zerstörungen als Folge der Klimakrise gibt es aber kein Abkommen, das dem Globalen Süden Entschädigungen zusichert.
Das ist kein Zufall: Seit über 30 Jahren verhindern reiche Staaten eine Übereinkunft zur Finanzierung von Verlust und Schaden (Loss and Damage, L&D) - so auch auch im Rahmen der COP26 in Glasgow letztes Jahr.[12] Dabei ist der Grundgedanke einfach: Jene Staaten, die am meisten zur Klimakrise beigetragen haben, müssen jene Staaten entschädigen, die am meisten darunter leiden. Nun hat als erstes Land der Welt Dänemark unilateral L&D-Finanzierung angekündigt.[13] Wir fordern daher: Österreich muss sich auf der COP27 für ein Abkommen zu Loss and Damage (Loss and Damage Finance Facility, LDFF) einsetzen und selbst Ausgleichszahlungen zu L&D leisten!
Klimaschutzgesetz
Österreich hat weiterhin kein wirksames Klimaschutzgesetz und seit fast 700 Tagen überhaupt keine rechtlich verankerten Treibhausgas-Reduktionsziele. Ein Klimaschutzgesetz benötigen wir zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Abkommens aber unbedingt. Die österreichische Bundesregierung hat im Regierungsübereinkommen 2020 den Menschen in Österreich ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Reduktionspfaden bis 2040 versprochen.[14] Schon oft hat FFF die Bundesregierung zur Einhaltung dieses Versprechens aufgefordert - nun fordern wir einmal mehr ein Klimaschutzgesetz!
Menschenrechtslage in Ägypten
Mit der Klimakonferenz rückt auch die katastrophale Menschenrechtslage in Ägypten einmal mehr in den Fokus: In einer Atmosphäre der Angst werden Aktivistinnen verfolgt und inhaftiert und Wissenschaftlerinnen an ihrer Arbeit gehindert.[15] Von 2021 bis 2022 befand sich auch Ahmed Samir Santawy, Student an der Wiener Central European University, in unrechtmäßiger Haft. Erst infolge weltweiten Protests, unter anderem durch die Österreichische Hochschülerinnenschaft (ÖH) und Amnesty International Österreich, wurde Ahmed Samir Santawy im Sommer 2022 freigelassen.[16] Fridays for Future Austria unterstützt die Kampagne von ÖH und Amnesty und fordert, dass Ahmed wieder nach Österreich zurück reisen darf - #BringBackAhmed. Wir verurteilen Menschenrechtsverletzungen aufs Schärfste, denn: Klimagerechtigkeit ohne Menschenrechte ist unmöglich!
Update: Österreichs Versprechen auf der COP27
Am 08.11.2022 kündigte Bundespräsident Van der Bellen auf der UN-Klimakonferenz an, Österreichs Klimafinanzierung zu erhöhen und erstmals Ausgleichszahlungen für Loss and Damage bereitzustellen. Bundesministerin Gewessler und das BMK konkretisierten die Maßnahmen.
Für Verlust und Schaden (Loss and Damage, L&D) sollen in den nächsten vier Jahren erstmals insgesamt 50 Mio. EUR aufgebracht werden.[I] Fridays For Future Austria ist wichtig, dass die Bundesregierung auf die Notwendigkeit von L&D reagiert - mit 12,5 Mio. EUR pro Jahr fallen diese Ausgleichszahlungen aber viel zu gering aus. Zum Vergleich: Allein in der Landwirtschaft und nur in Niederösterreich entstanden durch Hagel im Juni 2021 Schäden in Höhe von rd. 20 Mio. EUR.[II] Dass die Schäden der Überschwemmungen in Pakistan bspw. mit rd. 30 Mrd. (!) USD beziffert wurden, verdeutlicht den Bedarf an wesentlich höherer L&D-Finanzierung.[III]
Zusätzlich dazu soll die Klimafinanzierung für die vier Jahre von 2023 bis 2026 auf rd. 340 Mio. EUR jährlich angehoben werden.[IV] Im Vergleich zu Deutschland bspw. ist aber noch viel Luft nach oben. Mit einer Klimafinanzierung von rd. 5,34 Mrd. EUR hat Deutschland 2021 rd. 64 EUR pro Person beigetragen.[V][VI] Österreich hingegen wird auch mit 340 Mio. EUR 2023 nur rd. 37 EUR pro Person (bei der Bevölkerungszahl vom 1.10.2022) aufbringen - nur etwas mehr als die Hälfte der deutschen Klimafinanzierung.[VII]
Doch dass Geld alleine nicht reicht - das sagte auf der COP nun auch Bundespräsident Van der Bellen.[VIII] Denn unabhängig von der Höhe der Ausgleichszahlungen fehlt Österreich weiterhin ein Klimaschutzgesetz - und dieses hat FFF von der Bundesregierung schon oft eingefordert.
Quellen
[1] https://www.theguardian.com/environment/2022/oct/27/climate-crisis-un-pathway-1-5-c
[2] https://www.theguardian.com/environment/2022/nov/04/un-chief-antonio-guterres-climate-crisis-cop27
[3] https://www.nature.com/articles/d41586-021-02846-3
[9] https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:0ccf558d-fde2-4d2e-9182-ceed4e1759b1/12_13_beilage_nb.pdf
[10] https://www.nature.com/articles/d41586-021-02846-3
[13] https://www.reuters.com/world/denmark-becomes-first-offer-loss-damage-climate-funding-2022-09-20/
[14] https://www.dievolkspartei.at/Download/Regierungsprogramm_2020.pdf
[15] https://www.hrw.org/news/2022/09/12/egypt-government-undermining-environmental-groups
[16] https://www.amnesty.at/%C3%BCber-amnesty/erfolge/aegypten-ahmed-samir-santawy-ist-endlich-frei/
[I] https://orf.at/stories/3292851/
[IV] https://orf.at/stories/3292851/
[V] https://www.bmz.de/de/themen/klimawandel-und-entwicklung/klimafinanzierung
[VI] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/01/PD22_027_124.html