Auf der Geburtstagsfeier des Pariser Klimaabkommens

von Laila Kriechbaum und Victoria Zawadil

Aktion von Fridays For Future Kufstein

Am Sonntag, den 12.12. feierte das Pariser Klimaabkommen seinen sechsten Geburtstag. Was sich auf dieser Party abgespielt haben könnte, erzählt dieser Sketch.

Partygäste:
- Mutter Erde (gebrechliche alte Dame, die stark schwitzt, sich ständig die Stirn abtupft und sich frische Luft zu fächert)
- Pariser Klimaabkommen (kurz Paris)
- Politiker (im Business-Anzug, hat gar keinen Bock auf diesen Pflichttermin)
- Wähler (freut sich, etwas zu feiern, versteht aber nicht ganz, wieso er hier ist)
- Klimaaktivistin
- Wirtschaft

Alle Partygäste sitzen um den Geburtstagstisch. Sie singen „Happy Birthday“, aber nur halbherzig. Der Politiker daddelt am Handy herum, die Klimaaktivistin heult und schnäuzt in ein Taschentuch, Mutter Erde blickt missbilligend, aber auch unendlich erschöpft ins Leere, das Pariser Klimaabkommen schaut so aus, als sei ihm die Situation furchtbar unangenehm, die Wirtschaft beäugt schon den Geburtstagskuchen schnappt sich einen Teller und nimmt das Messer in die Hand. Nur der Wähler singt inbrünstig Happy Birthday.

Nachdem der letzte Ton verklungen ist, schneidet die Wirtschaft gierig den Kuchen an und beginnt zu schlingen, noch bevor Paris die Kerzen ausblasen kann. Niemand klatscht, außer der Wähler.

Mutter Erde: Pfui Teufel, Wirtschaft, dass du nur nimmst! Gib's zu, der einzige Grund, weshalb du hier bist, ist der Kuchen!

Wirtschaft: Ich muss halt wachsen. Ich brauche immer mehr, mehr, mehr! (schaufelt sich manisch ganz viel Kuchen in den Mund)

Stille tritt ein. Dann nehmen sich auch die anderen vom Kuchen, bis auf die Klimaaktivistin.

Klimaaktivistin: Sagt mal, dass ihr euch nicht schämt! Mama Erde ist kurz vor dem Sterben und euch interessiert es noch nicht einmal! Ich will, dass ihr in Panik geratet!

Politiker: Immer diese hysterischen Weiber, ist doch alles gut! Erde geht es ganz ausgezeichnet (Mutter Erde verschluckt sich an einem Stück Kuchen und hustet fürchterlich. Politiker klopft ihr auf den Rücken, bis sie aufhört
zu husten und strahlt. Dann im typischen Politiker*innensprech zum Publikum:)
Meine Damen und Herren, durch meine Tatkraft hat die Erde sich wieder erholt. Es geht ihr heute besser als je zuvor! Doch wir müssen weitere Schritte setzen (in den Bart gemurmelt:) nur nicht heute. Und es werden mutige Schritte sein! Daher habe ich beschlossen, diese bei der Versammlung am Sankt Nimmerleinstag zu besprechen. Zudem drücke ich
die Dringlichkeit des Problems aus, indem ich es auf die Agenda 2300 geschrieben habe. Liebe Wählerinnen und Wähler, machen Sie sich keine Sorgen, ich habe alles im Griff und ich mache nie Fehler!
(der Wähler steht auf und klatscht begeistert)

Wähler: Großartig! Einfach großartig! Danke, ich liebe meine Politiker*innen! Jetzt kann ich mich endlich wichtigeren Dingen widmen! Was läuft gerade Angesagtes auf Netflix? Habt ihr Squid Game schon gesehen? (wartet keine Antwort ab) Also da geht es um dieses Spiel...

Mutter Erde fällt ihm verärgert ins Wort: Du dummer Junge, was gäbe es wichtigeres, als sich um deine Lebensgrundlage, deine Mutter zu kümmern? Aber nein, dich interessiert ja nur dein momentanes,
persönliches Glück!

Klimaaktivistin: Genau! What do we want? (wartet auf eine Antwort, versucht die anderen zur Antwort zu motivieren, bekommt aber keine, antwortet also selbst) Climate Justice! When do we want it? (wartet
nochmal kurz)
Now!

Politiker (zwischen bewundernd und höhnisch): Da habt ihr aber ein schönes Schlagwort erfunden, „Climate Justice“ aber wisst ihr auch, was es heißt?

(Klimaaktivistin druckst verlegen ein bisschen herum)

Paris rettet sie aus ihrer Verlegenheit: Hört auf zu zanken, wir sind doch eigentlich hier versammelt, um mich zu feiern!

Mutter Erde: Was gibt es denn zu feiern? Eine Trauerandacht fände ich passender!

Politiker: Ach, sei doch nicht so. Das Pariser Klimaabkommen ist eine herausragende Leistung an internationaler Zusammenarbeit! So etwas ist einmalig in der Geschichte. Die klügsten Köpfe unserer Zeit – darunter in
aller Bescheidenheit auch meine Wenigkeit – haben für alle Menschen auf der Welt große Politik gemacht und so den Grundstein für eine bessere Zukunft gelegt!

Klimaaktivistin: Für alle Menschen auf der Welt?! Ha ha ha, dass ich nicht lache. Die Menschen in den am meisten vom Klimawandel beeinflussten Regionen habt ihr mal schön vergessen. Diese Wähler*innen sind euch wurscht, oder?

Wähler (schreckt aus seinem Dämmerschlaf auf, fühlt sich angesprochen): Muss ich schon wieder wählen? Joa, is eh egal, gib den Stimmzettel her, wo soll ich mein Kreuz machen? Des sind eh alle korrupte Betrüger, die nur auf Lobbyisten der Wirtschaft hören...

Wirtschaft (hört auf, sich den Kuchen hineinzustopfen): Jetzt werde ich aber gleich grantig. Klar pflege ich Beziehungen zu meinen guten Freunden in der Politik. Und wenn ich mal jemandem aus der Partei (Mutter Erde hustet gerade, als er den Namen der Partei sagt) ein großzügiges Geschenk mache, dann erwarte ich doch keine Gegenleistung. (zwinkert Politiker zu, der wiederum leise lacht). Und überhaupt, ohne mich wären wir noch in der Steinzeit!

Paris: Jetzt seid ihr ja wieder am Streiten. Das macht mich ganz traurig. (alle schweigen kurz) Habt ihr vielleicht ein paar Geschenke für mich? (strahlt erwartungsvoll)

Politiker: (räuspert sich, steht auf, setzt sein schönstes Fernsehlächeln auf, geht zu Paris, der ebenfalls aufsteht und blickt ins Publikum) Ich schenke dir einen Gutschein auf Selbstverwirklichung! (reicht in Paris, sie schütteln
sich die Hände, er flüstert Paris etwas ins Ohr, die Hände bleiben gereicht, der Gutschein wird zwischen ihnen gehalten, sodass das Publikum ihn gut sieht, die beiden verharren für ein Foto und strahlen ins Publikum. Dann
lässt der Politiker seine Maske fallen und setzt sich wieder hin.)

Paris (blickt auf den Gutschein und sagt enttäuscht): Aber den kann ich ja gar nicht einlösen!

Politiker (gelangweilt und wieder am Handy): Ach, das... In der Politik mahlen Mühlen halt langsam. Wir können nur kleine Schritte gehen, alles andere würde die Wähler*innen (deutet auf den Wähler) überfordern. Nächstes
Jahr dann – vielleicht.

Wähler (schreckt wieder aus seinem Dämmerschlaf auf): Worum geht’s?

Politiker: Hast du ein Geschenk fürs Pariser Klimaabkommen?

Wähler (steht erschrocken auf, geht zu Paris): Also, ich kenn dich ja kaum, deshalb wusste ich auch gar nicht, was dir gefallen würde. Aber, naja, bei der nächsten Wahl wähle ich dann Politiker*innen, die dir mit der
Selbstverwirklichung ernsthaft helfen.

Klimaaktivistin (steht ebenfalls auf): Aber dann ist es doch viel zu spät! Liebes Klimaabkommen, ich schenke dir meinen Aktivismus! Tag und Nacht werde ich mich bemühen, dass du dich ganz bald selbstverwirklichen kannst! Ich rette dich und Mutter Erde!

Politiker, Wähler, Wirtschaft: Aber dafür bist du doch noch viel zu jung!

Politiker: Unerfahren.

Wirtschaft: Naiv.

Wähler: Hysterisch.

(verärgert und beleidigt setzt sich die Klimaaktivistin hin)

Wirtschaft (steht auf und geht zu Paris): Also ich habe jetzt mal ein gescheites Geschenk und zwar schenke ich dir innovative Lösungen, die dir mit der Selbstverwirklichung helfen. Ich denke da an gigantische Maschinen, die das CO2 aus der Atmosphäre binden, oder an eine Millionenquadratkilometer große weiße Plane, die wir über die Meere legen, damit die Sonnenstrahlen reflektiert werden und die Erde sich nicht so schnell erhitzt.

Paris (eifrig): Und wo sind die?

Wirtschaft (verärgert): Ja aber glaubst du, dass innovative Lösungen einfach so vom Himmel fallen? Das braucht Zeit; Jahre und Jahrzehnte und viel, viel Geld. (Bedeutungsschwangerer Blick zum Politiker). Also echt, noch so ein Naivling (setzt sich wieder hin und hinterlässt Paris traurig).

Mutter Erde (stark schwitzend, versucht aufzustehen, aber ihre Sitznachbarn ziehen sie wieder runter, die anderen beschwichtigen sie, sitzen zu bleiben): Ja, ja, ist ja schon gut. (macht keine Anstalten mehr, aufzustehen) Ich schenke dir die Natur dieses Planeten. Ich schenke dir die Strände Thailands, die Berge Tirols, die ewigen Weiten Alaskas, den Regenwald im Kongo. Ich schenke dir den Sommerregen, der dein Gesicht küsst. Ich schenke dir Sonnenstrahlen, die dein Getreide wachsen lassen. Ich schenke dir Waldluft, die deiner Seele guttut. Ich schenke dir die Tiere, die Pflanzen, die Pilze. Erfreue dich an ihrer Schönheit. Bewundere ihre Kraft. Lerne von ihnen. Höre ihnen zu. Öffne dein Herz für sie. Nimm das, was du zum Überleben brauchst und nie mehr. (bedrohlich) Ansonsten vergeht das Paradies und Plagen, Dürren, Hitzewellen, Naturkatastrophen jeder Art werden dich heimsuchen und dich in ihren Fängen zermalmen.
(Stille)

Klimaaktivistin (zu Tränen gerührt): Was für ein großartiges Geschenk!
(Stille)

Wähler: Aber Mutter, das hast du uns allen doch schon bei unserer Geburt geschenkt...

Mutter Erde: Und ihr habt euch als unwürdig erwiesen. Ihr habt mich in den Ruin getrieben. Der Punkt, von wo es kein zurück mehr gibt, ist bald erreicht. Doch noch habt ihr, meine lieben Kinder, die Chance, wieder zurück ins Paradies zu gehen. Allerdings habe ich heute gesehen, dass ihr euch die ganze Zeit streitet. So seid ihr noch lange nicht bereit. Reißt euch zusammen! Nur gemeinsam könnt ihr euer Zuhause retten. Nur gemeinsam findet ihr einen Weg aus der Krise hinaus. Nur gemeinsam könnt ihr es schaffen, dass beim nächsten Geburtstag des Pariser Klimaabkommens tatsächlich gefeiert wird. Denkt an das Geschenk, das ich eben gemacht habe. Ja, ihr meint, ihr besitzt dasselbe auch. Doch das stimmt nicht. Die Arten sterben. Die Luft ist schmutzig. Das Eis schmilzt. Die Natur – ich – breche unter dem Gewicht, das ihr Menschen darstellt, fast zusammen. Vieles habt ihr schon verloren. Einiges unwiderruflich. Allerdings könnt ihr heute anfangen eine Zukunft zu gestalten, in der jedes Baby das kostbare Geschenk einer intakten, florierenden und gesunden Umwelt bekommt. Act now! Handelt jetzt – gemeinsam!

(die Partygäste, außer Mutter Erde, beäugen sich vorsichtig)

Wähler: Also wenn Mama das sagt...

Klimaaktivistin (aufgeregt): Mama, du hast toll gesprochen! Ich freue mich auf diese Zukunft und ich freue mich darauf, sie zu gestalten. Ihr nicht auch? Wie fangen wir an?

Politiker: Naja, wir könnten die Klimakrise in jeder Ebene des Lebens mitdenken.

Paris: Und das heißt jetzt genau was?

(Sie stecken die Köpfe zusammen, Paris holt einen Notizblock hervor und schreibt ein bisschen mit, auch die Wirtschaft nimmt mit zunehmendem Enthusiasmus daran teil)

Mutter Erde lehnt sich zufrieden zurück; nach einer Weile: Meine lieben Kinder, fehlt auf dieser Party nicht noch jemand?

(ratlos blicken die anderen sich an, dann winkt der Politiker ins Off und eine Wissenschaftlerin taucht mit einem Stuhl auf. Sie setzt sich an den Tisch, nickt allen zu, wirft einen Blick auf den Notizblock. Währenddessen
schauen die anderen fragend zu Mutter Erde, die zustimmend nickt. Die Wissenschaftlerin deutet dann auf eine Stelle im Notizblock, die anderen beugen sich zu ihr und fangen wieder an zu diskutieren und zu planen.
Mutter Erde schaut ins Publikum und lächelt.)

The End


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