Mit 20.000 Menschen auf der Straße – So war der Weltweite Klimastreik am 24.9 in Wien
von Helena Wieländner
Über 20.000 Menschen waren beim 8. Weltweiten Klimastreik in Wien!
6.000 Menschen werden kommen, optimistisch gesehen maximal 8.000; das war meine persönliche Schätzung. In Wien hatte ich erst einen Weltweiten Klimastreik erlebt, das war der am 19. März 2021, bei dem mit strengem COVID-Hygienekonzept eine Menschenkette um den Ring gebildet wurde. Womit ich nicht gerechnet hatte, war die unglaubliche Sorge um die Zukunft, die besonders die jüngeren Generationen plagt. Gerade in diesem Sommer, in dem Katastrophen wie Waldbrände, Überflutungen und Hitzewellen so präsent waren, stieg das Bewusstsein bezüglich der Klimakrise in der Bevölkerung extrem. Die Medien hatten endlich angefangen, genau solche Ereignisse mit der Klimakrise in Verbindung zu bringen und das Kind beim Namen zu nennen. Kurz gesagt: Es war wieder an der Zeit für einen richtig großen Klimastreik!
Wir sind verzweifelt - Am Praterstern
“Seit Jahrzehnten warnt die Wissenschaft vor den extremen Folgen der Klimakrise. Und was macht die Politik? Sie verfolgt weiterhin die egoistischen, gierigen Interessen der Lobbys. Kann das sein?” Der Tenor der verschiedenen, einstimmenden Reden lässt eine wütende Verzweiflung vermuten. Trotzdem ist die allgemeine Stimmung ausgelassen. Nacheinander trudeln immer mehr Menschen auf der Prater Hauptallee ein. Die meisten setzen freiwillig eine FFP2-Maske auf, noch bevor ein entsprechender Hinweis von der Streikmoderation kommt. Es werden die verschiedensten bunten, kreativen Schilder hochgehalten, manche warnend, andere humorvoll und wiederum welche, die bestimmte Maßnahmen fordern.
Vorne werden fleißig Sprüche gerufen, die den Zusammenhalt und das gemeinsame Ziel der Menge symbolisieren. “What do we want? Climate Justice! When do we want it? Now!”. Auch einige Medienvertreter*innen sind anwesend und bitten um Interviews. Sie wollen wissen, warum die Menschen hier sind und die Antworten sind mehr oder weniger immer dieselben: Weil es so nicht weitergehen kann. Weil wir eine lebenswerte Zukunft wollen. Weil wir verzweifelt sind. Aber auch, weil wir hoffnungsvoll sind.
Wir sind viele auf der Straße!
Schon kurz bevor wir losgehen, wird durch ein Megafon verkündet, dass wir bereits 10.000 Menschen sind. Gänsehaut pur. Es ist also der optimistische Fall eingetreten. Zusammen marschieren wir die Praterstraße entlang und über die Aspernbrücke. Ich bleibe am Rand stehen, um zu sehen, wie viele Menschen da sind. Es ist überwältigend. Unterschiedliche Fahnen verschiedener Organisationen sind zu sehen: Rotes Kreuz, ÖGB, Global 2000 und dutzende weitere Organisationen, Bewegungen und Gruppen riefen als Klimaprotest-Bündnis gemeinsam zum Streik. Dazwischen Schulklassen aus allen möglichen Schulstufen und natürlich ganz viele Einzelpersonen: Kinder, Jugendliche, Eltern, Großeltern. Alle zusammen bilden sie eine Einheit gegen die Steinzeit-Politik und für eine lebenswerte Zukunft. Denn anders als unser Bundeskanzler behauptet, bedeutet Klimaschutz kein Zurückfallen in die Steinzeit. Ganz im Gegenteil, KEINE Klimapolitik zu machen katapultiert uns zurück in eine noch viel erschreckendere Steinzeit. Technologien werden uns nicht retten, die Politik ist jetzt gefragt zu handeln!
Während wir am Ring entlang demonstrieren, hört man - je nachdem wo man sich in diesem langen Demozug befindet - verschiedene emotionale und sachliche Reden, Partymusik, motivierende Sprüche oder einfach nur das allgemeine Murmeln der Menge. Kurz bevor wir beim Held*innenplatz ankommen ertönt die Meldung, dass wir 20.000 Menschen sind! Das hat absolut alle unsere Erwartungen übertroffen. So viele Menschen, die genug haben von den faulen Ausreden der Politik, die strengere Maßnahmen fordern, die eine lebenswerte Zukunft wollen. Jeder einzelne Mensch in dieser Menge ist wichtig. Heute setzen wir ein unglaublich starkes Zeichen!
Ein Blick ringsum: Über 30.000 Menschen österreichweit!
Ebenso beeindruckend ist, was zeitgleich im ganzen Land und global passiert: 2.000 Menschen in St. Pölten beim ersten und größten niederösterreich-weiten Klimastreik aller Zeiten. 5.000 Menschen in Linz, 3.000 Menschen in Graz, 1.400 Menschen in Bregenz, 4.000 Menschen in Salzburg – die zweitgrößte Salzburger Klimademo aller Zeiten. 630.000 Menschen deutschlandweit und Millionen global auf den Straßen! Der Katastrophen-Sommer, politische Untätigkeit und unermüdliche Mobilisierung der vielen engagierten Menschen in der Fridays For Future-Bewegung haben für kräftigen Aufwind gesorgt. Wir sind viele und wir werden weiter für eine klimagerechte Welt aufstehen! Im Rahmen dieses Weltweiten Klimastreiks gibt es sogar noch ein zweites Protest-Datum: Einige Städte und Länder werden am 22.10. demonstrieren. Auch in Österreich ist die ein oder andere Aktion geplant, etwa in Kufstein. Alle Infos dazu findest du zeitnah hier
Wir sind hoffnungsvoll - Am Held*innenplatz
Etwas zu spät am Endpunkt angekommen, sammelt sich die Masse an Demonstrierenden auf dem Held*innenplatz, um die letzten großen Reden von u.a. Sigrid Stagl (Scientists For Future), Noomi Anyanwu (Black Voices Volksbegehren), Claire Kardas (Frauen*volksbegehren und FFF Wien) und vielen mehr zu hören. Neben der Bühne steht eine große LED-Wand, damit auch wirklich alle sehen können, was auf der Bühne passiert. Es geht um die Intersektionalität der Klimakrise und darum, dass immer noch Hoffnung besteht. Dass wir durch unsere vereinte Kraft etwas bewirken können, eine große Transformation. Dass die Politik so viele Menschen nicht einfach ignorieren kann und der Druck nicht aufhören darf, sondern gerade erst angefangen hat. Die Leute jubeln zustimmend, es ist ein unglaublich bestärkendes Gefühl. Wir haben Hoffnung.
“Wir sind hier, wir sind viele, haltet euch an Klimaziele!”
Nachdem die ganzen politischen Beiträge fertig sind, tritt die Band “Buntspecht” auf. Mit ihren Liedern bringen die Musiker die Menge zum Tanzen und Mitsingen, die Stimmung ist ausgelassen. Schilder und Kinder auf Schultern werden in die Höhe gehalten. Anschließend tritt auch noch die Künstlerin Zion Flex auf. Nachdem das Programm beendet ist, lichtet sich der Platz langsam. Manche gehen weiter zu der nächsten Demonstration, manche zum Lobau-Protest-Camp im 22. Bezirk, manche gehen heim und manche erlauben sich eine mehr oder weniger kleine Afterparty.
Auf uns, auf euch, auf nächstes Mal!