Allianz aus AK, Gewerkschaft und Klimabewegung sagt der Hitze am Bau den Kampf an

GBH und AK präsentieren exklusiv die Hitzezahlen 2023

Klimaaktivist:innen von Fridays For Future und System Change not Climate Change solidarisieren sich mit Beschäftigten am Bau und schließen sich mit der AK und der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) zum Bündnis „Menschen und Klima schützen statt Profite“ zusammen. Gemeinsam fordern sie eine Anpassung des Arbeitsrechts an die Folgen der Klimakrise sowie eine sozial-ökologische Investitionsoffensive der öffentlichen Hand.

Extreme Hitze am Arbeitsplatz

Der Sommer 2023 war der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen. Das belegen die Zahlen des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus der Europäischen Union eindeutig. Längst sind die Auswirkungen der Klimakrise für viele Beschäftigte am Arbeitsplatz spürbar. Vor allem die 400.000 Outdoor-Arbeitnehmer:innen in Österreich sind vom drastischen Anstieg an Hitzetagen betroffen. An Arbeitsplätzen im Freien sind die Arbeitnehmer:innen der Hitze und UV-Strahlung oftmals schutzlos ausgeliefert – mit verheerenden Langzeitfolgen für deren Gesundheit. Neben der erhöhten Betroffenheit durch Krankheiten wie beispielsweise hellem Hautkrebs aufgrund von langjähriger UV-Exposition, erhöht die Hitze die Arbeitsbelastung enorm und kann zu Hitzeschlägen oder Kollaps führen. Hier besteht ein klarer Handlungsbedarf von Seiten des Gesetzgebers, die rechtlichen Vorschriften an die Folgen der Klimakrise anzupassen. Daher fordert das neu geformte Bündnis: Menschen und Klima schützen statt Profite!

„Das Arbeitsrecht in seiner jetzigen Form stammt aus einer Zeit, in der die Folgen der Erderhitzung noch keine Rolle für die Politik spielten. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen endlich eine gesetzliche Anpassung an die neuen Bedingungen.“ fordert AK-Präsidentin Renate Anderl. „Ob schwitzend im schlecht gedämmten bzw. unklimatisierten Büro oder bei der Arbeit im Freien: Viele Beschäftigte leiden schon heute unter der drastischen Zunahme von Hitzetagen. Deshalb müssen die Arbeitgeber:innen in die Pflicht genommen werden und für erträgliche Arbeitsbedingungen sorgen. Ist das nicht möglich, muss bei zu hohen Temperaturen die Arbeit eingestellt werden.“

Nur jede:r vierte am Bau Beschäftigte bekommt Hitzefrei

Bauarbeiter:innen gehören zu jenen Berufsgruppen, die am härtesten von den Folgen steigender Temperaturen betroffen sind. Auf Dächern oder in Baugruben steigen die Temperaturen in der Sonne im Sommer auf bis zu 50°C. Neben den gesundheitlichen Auswirkungen auf die Beschäftigten steigt das Risiko für Arbeitsunfälle dadurch erheblich an. Die bisherige arbeitsrechtliche Situation für die Beschäftigten am Bau ist jedoch mangelhaft: Erst ab 32,5°C Schattentemperatur besteht auf Baustellen die Möglichkeit, die Arbeit niederzulegen. Allerdings gibt es hierfür keinen Rechtsanspruch. Die Entscheidung, ob tatsächlich Hitzefrei gewährt wird, obliegt allein dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin. Gewährt diese:r nach Anhörung des Betriebsrats Hitzefrei, bekommen die Arbeiter:innen eine Lohnfortzahlung von 60 Prozent, welche den Unternehmen von der BUAK (Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse) erstattet wird. Dass die freiwillige Gewährung von Hitzefrei durch Baustellenverantwortliche bei weitem nicht ausreicht, verdeutlichen die Zahlen der BUAK für dieses Jahr: Trotz Hitzerekorden bekam im Sommer nur jede:r vierte am Bau Beschäftigte stundenweise Hitzefrei.

Konkret erhielten im Sommer 2023 insgesamt 23.875 Arbeitnehmer:innen aus 1.158 Betrieben an 19 Hitzetagen 71.280 Stunden Hitzefrei.

„Nur jeder vierte Bauarbeiter bekommt Hitzefrei. Das ist eindeutig zu wenig. Während in Wien den Fiakerpferden zu Recht Hitzefrei gewährt wird, müssen Bauarbeiter:innen auch bei 35 Grad weiterarbeiten, wenn die Firma darauf besteht. Wie lange will die Politik sich das noch anschauen?“ fragt Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz.

Der Staat hat es in der Hand

Ohne Klimaschutzmaßnahmen wird sich die Anzahl der Hitzetage bis zum Ende des Jahrhunderts mehr als verdoppeln. Nur wenn die Pariser Klimaziele eingehalten werden, kann die Überhitzung des Planeten noch abgeschwächt werden. Dazu sind unter anderem schnell öffentliche Investitionen in den sozialen und ökologischen Umbau nötig. Wie eine im Juni veröffentlichte Studie der AK belegt, kommt der öffentlichen Hand dabei eine Schlüsselrolle zu: 50 Prozent der notwendigen Investitionen in den Klimaschutz werden von ihr bestimmt. Anstatt wie bisher den Umbau dem Markt zu überlassen, braucht es eine offensive und planende Wirtschaftspolitik. Großes Potenzial bietet hierbei das öffentliche Vermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro. Um dieses Vermögen klimaneutral umzubauen, benötigt es gesamte Investitionen in Höhe von 68 Milliarden Euro. Allein im Gebäudesektor sind bis 2030 Investitionen in Höhe von 29,3 Milliarden Euro nötig. Davon entfallen 24,6 Milliarden auf thermische Verbesserungen von Gebäudehüllen und 4,7 Milliarden auf den Heizungstausch.

„Allein in Wien wird ein Drittel der Emissionen im Gebäudesektor verursacht. Um die Klimaziele einhalten zu können, muss die öffentliche Hand deshalb dringend die thermische Sanierung von öffentlichen Gebäuden angehen. Faire Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten sind dabei die Grundlage für den sozial-ökologischen Umbau,“ sagt Teresa Tausch, Sprecherin von Fridays for Future Austria.

Aus ökologischen Gesichtspunkten ist es darüber hinaus zentral, was überhaupt gebaut wird. Lucia Steinwender, Sprecherin von System Change not Climate Change, kritisiert die bisherige Praxis vieler Bauprojekte: „Dieser Sommer hat erneut gezeigt, dass viele Bauherren ihre Projekte ohne Rücksicht auf Verluste vorantreiben. Dass die Beschäftigten in der Gluthitze körperliche Schwerstarbeit leisten, kümmert viele Unternehmen ebenso wenig wie die Klimakrise, die sie mit ihren Bauvorhaben oftmals anheizen. Gerade mit knapper werdenden Ressourcen sollten wir gesellschaftlich Sinnvolles bauen: klimaverträgliche, soziale Infrastruktur, von der alle etwas haben.“

Warnung vor Blockadeaktionen im nächsten Jahr

Es liegt auf der Hand, dass sich die Situation der Beschäftigten auf Baustellen rasch ändern muss. Grundsätzlich sei es ein richtiger Schritt gewesen, dass sich die Sozialpartner 2019 auf die Hitzereglung am Bau geeinigt hätten, meint GBH-Bundesvorsitzender Muchitsch. „Wir sehen aber seit Bestehen der Regelung, dass die Freiwilligkeit für Unternehmen in der Praxis nicht funktioniert. Deshalb fordern wir seit Jahren einen Rechtsanspruch auf Hitzefrei.“ Sowohl die Politik als auch die Arbeitgeber:innen zeigen sich bislang unbeeindruckt von den Forderungen der Gewerkschaft und nehmen die Gefährdung von Bauarbeiter:innen weiter billigend in Kauf.

„Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem wir sagen: Es reicht. Wenn die Gesundheit der Beschäftigten am Bau weiterhin gefährdet wird, sehen wir uns zum Handeln gezwungen. Wenn bis zum nächsten Sommer weiter nichts für die Bauarbeiter:innen getan wird und die Bundesregierung kein klimafittes Arbeitsrecht auf den Boden bekommt, werden wir als Gewerkschaft zusammen mit den Aktivist:innen der Klimabewegung jene Baustellen blockieren, die trotz gefährlicher Hitze weiter schuften lassen“ droht Muchitsch in Richtung der Arbeitgeber:innen.

Das Bündnis fordert:

+Reform des Arbeitsrechts: Sowohl das Arbeitnehmer:innenschutzgesetz als auch die Arbeitsstättenverordnung müssen novelliert werden. Die klimabedingten Herausforderungen in der heutigen Arbeitswelt müssen legistisch abgebildet werden. Es müssen die richtigen Lehren aus der Corona-Pandemie gezogen und die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber:innen in den Mittelpunkt gestellt werden.
+Prävention von hellem Hautkrebs: Der helle Hautkrebs muss endlich als Berufskrankheit anerkannt und verpflichtende Hautuntersuchungen für gefährdete Arbeitnehmer:innen eingeführt werden.
+Verpflichtende Maßnahmen für Arbeitgeber:innen:
-Besondere Evaluierungspflicht bei über 25°C mit der Verpflichtung, ab dieser Temperatur geeignete Maßnahmen zu setzen, um einen weiteren Temperaturanstieg zu verhindern. Dabei gehen technische vor organisatorischen vor personenbezogenen Maßnahmen (TOP-Prinzip)
+Bezahlt Hitzefrei für die Stunden ab 30°C sofern nicht wesentliche Teile der Tätigkeit in gekühlten Innenräumen erbracht werden. In diesem Fall finanzieller Zuschlag für Tätigkeiten, die ab 30°C Außentemperatur im Freien erbracht werden.
-Berücksichtigung von Arbeit an gesetzlich definierten Hitzearbeitsplätzen mit produktionsbedingter Hitzeüberschreitung (z.B. in Hochöfen)
+Vorrang des Ausbaus von öffentlichen Verkehrsmitteln und einer klimafreundlichen Infrastruktur gegenüber fossilen Bauprojekten
+Ökologische Umrüstung des öffentlichen Vermögens im Gebäudesektor

Songtexte