Religions For Future

Website von Religions For Future in Österreich: religionsforfuture.at

Aufruf religiöser Führungspersönlichkeiten zur Teilnahme am Weltweiten Klimastreik am 15.9.2023

Es ist höchste Zeit zu handeln und in der „Schöpfungszeit“ ein starkes Zeichen zu setzen!

Die extremen Hitzewellen in diesem Sommer v.a. in Südeuropa, aber auch bei uns, ebenso die Überflutungen in Slowenien und Südösterreich zeigen einmal mehr: Die Klimakrise ist nicht etwas räumlich und zeitlich Entferntes, sondern bereits da. Entscheidend ist die Tatsache: Eine gefährliche globale Erderhitzung ist kein Schicksal. Wenn die Regierungen weltweit die großen Hebel dafür in Gang bringen und mit entschlossenem, raschem Klimaschutz beginnen, kann die Erwärmung eingedämmt werden.

Beim Weltweiten Klimastreik treten zahlreiche Menschen, unterschiedliche Umwelt- und Klimaschutzbewegungen, Religionsgemeinschaften, Jugendorganisationen, usw., für eine ambitionierte Klimaschutzpolitik ein. Sie setzen damit ein öffentliches Zeichen, dass das Erreichen der Pariser Klimaziele absolut dringend ist. Die Mitglieder der Christlichen Kirchen unterstreichen dabei die ethische Dimension der Klimakrise, treten für Klimagerechtigkeit ein und nehmen ihre Schöpfungsverantwortung konkret wahr. Sie zeigen der mit Recht besorgten Jugend: Wir unterstützen Eure Forderung nach einer klimagerechten Zukunft! Ihr seid uns nicht egal!

Beim Weltweiten Klimastreik am 15. September 2023 organisiert „Religions For Future Vienna“ einen Treffpunkt der Religionsgemeinschaften (11.30 Uhr, Armenisch-Apostolische Kirche, Innenhof, Kolonitzgasse 11, 1030 Wien). Den Auftakt bilden Stellungnahmen von VertreterInnen verschiedener religiöser Traditionen. Die Demonstration führt über den Ring zum Heldenplatz, auf dem ab ca. 14.30 Uhr die Abschlusskundgebung stattfinden wird.

Im Anschluss daran, um 16.00 Uhr, findet der zentrale Ökumenische Gottesdienst zur Schöpfungszeit in der Michaelerkirche statt, veranstaltet durch den Ökumenischen Rat der Kirchen Österreich.

Als religiöse Führungspersönlichkeiten rufen wir dazu auf, am Weltweiten Klimastreik mitzuwirken und gemeinsam, Seite an Seite mit der jungen Generation, ein deutliches öffentliches Zeichen für den Klimaschutz zu setzen.

Die Erklärung wurde von folgenden Persönlichkeiten aus den christlichen Kirchen unterzeichnet:

Metropolit Arsenios Kardamakis (Ökumenisches Patriarchat, Metropolis von Austria, Exarch von Ungarn und Mitteleuropa) | Bischof Andrej Ćilerdžić (Serbisch-orthodoxe Kirche, Diözese Österreich-Schweiz) | Bischof Tiran Petrosyan (Patriarchaldelegat der Armenisch-Apostolischen Kirche für Mitteleuropa und Skandinavien) | Weihbischof Stefan Turnovszky (Römisch-Katholische Kirche, Erzdiözese Wien) | Weihbischof Franz Scharl (Römisch-Katholische Kirche, Erzdiözese Wien) | Matthias Geist (Superintendent Evangelische Diözese A.B. Wien) | Thomas Hennefeld (Landessuperintendent Evangelische Kirche H.B. in Österreich) | Stefan Schröckenfuchs (Superintendent der Evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich) | Anja Appel (Direktorin der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für Internationale Entwicklung und Mission) | Reinhard Bödenauer (Präsident der Katholischen Aktion Wien) | Angelika Ritter-Grepl (Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs) | Sr. Beatrix Mayrhofer, Provinzoberin der A. Schulschwestern v.U.L.Frau, ehem. Vorsitzende der Österreichischen Frauenorden) | Markus Gerhartinger (Umweltbeauftragter der Erzdiözese Wien) | Andrea Kampelmühler (Umweltbeauftragte der Evang. Diözese A.B. Wien) | Markus Beranek (Leiter des Pastoralamts, Erzdiözese Wien) | Sr. Anneliese Herzig (Österreichische Ordenskonferenz, Bereichsleitung „Mission und Soziales“) | P. Franz Helm SVD (Steyler Missionare) | Dietmar Kanatschnig (Beauftragter für Klimavorsorge und Nachhaltige Entwicklung der Evangelischen Kirche A.B. Österreich)

Evidenzbasierte Hoffnung

Aufruf von RELIGIONS FOR FUTURE Vienna zur Teilnahme am Weltweiten Klimastreik am 15. September 2023

Der Juli 2023 war laut Daten des Copernicus Climate Change Service (im Auftrag der EU-Kommission) global der heißeste je aufgezeichnete Monat. Große Teile der USA, von Asien und Europa sahen extreme Hitzewellen. Ein „Hitzedom“ dehnte sich über der südlichen Hälfte Europas aus. Teile von Griechenland, das östliche Spanien, Sardinien, Sizilien und Süditalien sahen Temperaturen über 45 Grad C über längere Zeiträume. Im August wurde ein Großteil von Slowenien von extremem Starkregen und Überflutungen verwüstet. Auch Teile von Kärnten und der Steiermark waren von Überschwemmungen und Erdrutschen betroffen.

Die Wetterextreme entsprechen exakt den Prognosen der Klimaforschung: häufigere und intensivere Hitzewellen; Trockenheit und Dürren; Starkregen und Überflutungen (weil die wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnimmt); häufigere und intensivere Stürme, Hurrikane, usw. All diese gefährlichen Folgen ereignen sich bereits bei einer globalen mittleren Erwärmung von 1,2 Grad C. Sie bilden so ein Warnsignal, was uns erwartet, wenn sich die Erderwärmung weiter erhöht, wobei jedes Zehntelgrad zählt. Die Wissenschaft warnt nicht zuletzt vor dem Auslösen von Kippelementen im Erdsystem (z.B. Absterben des Amazonas-Regenwalds), die die Erde in einen neuen, irreversiblen Zustand einer Heißzeit versetzen würden.

Das Stichwort „Kippelemente“ ist gleichzeitig mit einer mutmachenden „evidenz-basierten Hoffnung“ verbunden: Auch auf Seite der Lösungen existieren Kipppunkte, die sehr rasch zu einem grundlegenden Wandel des gesamten Systems führen. Evidente Basis für Hoffnung ist z.B. der Umstand, dass der ökonomische Kipppunkt fast erreicht ist, an dem die Energieproduktion mit erneuerbaren Energien mehr finanziellen Gewinn bringt als mit fossilen. Ist der Moment erreicht, und ziehen die Regierungen Subventionen vom fossilen Bereich ab, kann sich das globale Energiesystem sehr rasch wandeln.

Das gilt auch für die soziale Kipp-Dynamik: Auch soziales Verhalten, soziale Normen können einen Kipppunkt erreichen – wird er ausgelöst, dann können sich neue Verhaltensweisen, Normen und Strukturen rasch verbreiten und dauerhaft durchsetzen.

Ein markantes historisches Beispiel ist die Abschaffung des transatlantischen Sklavenhandels, der Sklaverei allgemein: Über Jahrhunderte wurden Menschen schwarzer Hautfarbe wie Dinge gehandelt und ausgebeutet. Mit der Zeit wurde das System der Sklaverei zu etwas Gewohntem, das nicht mehr in Frage gestellt wurde. Die Bewegung für ihre Abschaffung startete 1772 in England: Eine kleine Gruppe initiierte bewusst eine Änderung der ethischen Wahrnehmung des Sklavenhandels. 1807 wurde er abgeschafft, 1833 wurde die gesamte Sklaverei im Britischen Reich beendet. Einige Jahre später erfolgte ein exponentieller Rückgang im internationalen Sklavenhandel innerhalb kurzer Zeit (71% weniger in der Periode 1851 bis 1860).4 Das soziale Kippelement der Werte und Normen war in Bezug auf das System der Sklaverei ausgelöst worden, eine moralische Revolution fand statt. Rückblickend können wir nicht mehr nachvollziehen, dass der Besitz von Sklaven damals als völlig selbstverständlich und moralisch legitim betrachtet wurde.

Heute, im Klimanotstand, brauchen wir eine moralische Revolution, was die Beurteilung der fossilen Brennstoffe betrifft. Aus der Sicht der Kirchen und Religionsgemeinschaften ist nun besonders interessant, dass ihnen die Forschung zu sozialen Kipppunkten eine bedeutende Rolle dafür zuschreibt. Neben der Klimapolitik, Finanzmärkte, Energieproduktion, Wissenschaft und Medien werden auch spirituelle Führungspersonen, ebenso wie die junge Generation, zu den zentralen Akteuren gezählt, wenn es um die Kipp-Elemente der Werte und Normen in Richtung Klimaschutz, Dekarbonisierung, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit geht. Die Forschenden erwähnen in diesem Zusammenhang als Beispiel die Enzyklika „Laudato Si‘“ von Papst Franziskus, der zu einer „ökologischen Umkehr“ und einer „mutigen kulturellen Revolution“ aufruft.

Aus ethischer Sicht ist eine Fortsetzung der Extraktion, Produktion und Verbrennung fossiler Brennstoffe unmoralisch, weil sie mit einem schweren Schaden einhergehen, vor allem für arme Länder, die verletzlichsten Bevölkerungsgruppen (v.a. Frauen und Kinder), die zukünftigen Generationen, aber auch Tiere und Pflanzen. Die Klimakrise ist im Kern eine moralische Krise, ein Ausdruck globaler Ungerechtigkeit: Die, die nichts zum Problem beigetragen haben, leiden schon jetzt am meisten unter den Folgen. Das ist heute einer der Hintergründe für den Schrei: „Mögen Gerechtigkeit und Frieden strömen“, das Motto der heurigen „Schöpfungszeit“ der Christlichen Kirchen, inspiriert vom Propheten Amos (5,24).

Werte und Normen sind ein zentrales soziales Kippelement, das besonders in den Bereich der Kirchen und Religionen fällt. Ein solcher Wertewandel fällt aber nicht vom Himmel. Angehörige der verschiedenen Religionsgemeinschaften sind aufgerufen, ihre Energieerzeugung, Heizung, Gebäude, Mobilität, Feiern, ihren eigenen Alltag ,usw., so rasch wie möglich klimaneutral umzubauen. Dazu gehört auch der öffentliche Einsatz für einen raschen und gerechten Ausstieg aus der fossilen Ära und für eine ambitionierte, entschlossene Klimapolitik, die den Pariser Klimazielen entspricht. Das politische Engagement der Kirchen und Religionsgemeinschaften wird neben den spirituellen Quellen für Nachhaltigkeit in den verschiedenen Religionen auch ein Thema des „Interreligiösen Inspirationstags Laudato Si‘“ (29.9., 15.00 – 21.00 Uhr, Kardinal König Haus) sein.

Als Mitglieder von RELIGIONS FOR FUTURE Vienna rufen wir dazu auf, beim Weltklimastreik am 15. September mitzuwirken. Geben wir gemeinsam ein starkes öffentliches Signal für einen ambitionierten Klimaschutz!

Religions For Future-Grundsatzerklärung

Die RFF-Grundsatzerklärung wurde im Juli 2019 veröffentlicht und am 23.9.2019 in Wien bei einer Pressekonferenz präsentiert. Mit dabei als Unterzeichner waren Eniz Buzar (Islamische Glaubensgemeinschaft), Michael Chalupka (Bischof der Evangelischen Kirche A.B.), Stephan Turnovszky (Jugendbischof der römisch-katholischen Kirche) und Gerhard Weissgrab (Österreichische Buddhistische Religionsgemeinschaft). Mehr Infos dazu findet man hier.

Jede*r in Österreich ist eingeladen, diese Erklärung hier zu unterzeichnen: www.schoepfung.at

Mit Fridays for Future hat die globale Umweltbewegung eine kraftvolle neue Stimme erhalten, die die Überfälligkeit und Dringlichkeit einschneidender Maßnahmen zum Schutz des globalen Ökosystems durch Politik und Gesellschaft anmahnt. Wir, die Religions for Future Österreich, wollen diese Initiative aus unseren verschiedenen Glaubensüberzeugungen heraus im Respekt voreinander und vor jedem Menschen unterstützen.

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass bereits vier von neun planetarischen Grenzen erreicht oder überschritten sind: Die Grenze des globalen Klimas, die Grenze der Landnutzung, die Grenze der Phosphor- und Stickstoffemissionen sowie die Grenze des Erhalts der genetischen Vielfalt (vgl. Stockholm Resilience Centre u.a. 2009). Das Überleben der Menschheit ist ernsthaft bedroht, wenn wir nicht schnell und wirksam gegensteuern.

Als Religionen teilen wir die Sorge um das gemeinsame Haus der Erde und tragen Mitverantwortung für dessen Erhaltung in gutem Zustand. Wir sind überzeugt: Das Ökosystem Erde hat einen einzigartigen Wert. Es ist nicht allein für uns Menschen da, sondern dient allen Lebewesen als gemeinsamer Lebensraum. Wir Menschen sind mit den anderen Lebewesen verbunden, können ohne sie nicht leben und werden durch das Leben mit ihnen bereichert. Wir sind von der Natur abhängig und als ein Teil in sie eingebunden. Aus diesem Grund vermitteln unsere religiösen Traditionen wichtige Haltungen im Umgang mit der Natur: Dankbarkeit und Achtsamkeit, Bescheidenheit und Gerechtigkeit, Demut und Geschwisterlichkeit. Wir sehen jeden Menschen verpflichtet, im Einklang mit der Natur zu leben und ein treuer Haushalter oder eine treue Haushalterin für das gemeinsame Haus der Erde zu sein – in Verantwortung für künftige Generationen.

Ein besonderes Augenmerk richten unsere Traditionen auf diejenigen Menschen, die durch Armut, Krankheit oder Diskriminierung am verletzlichsten sind. Sie sind von den ökologischen Gefahren am meisten bedroht und zugleich am wenigsten in der Lage, sich anzupassen. Alle Bemühungen um den Schutz der Erde müssen daher die Folgen für die Ärmsten der Menschen und für die besonders verwundbaren Tiere und Pflanzen berücksichtigen.

Die führenden Personen in den Religionen rufen wir auf, sich in Wort und Tat mit aller Kraft für den Erhalt der Erde einzusetzen. Von den Verantwortlichen in der Politik erwarten wir den längst überfälligen Strukturwandel hin zu einer ökosozialen Politik und Wirtschaftsordnung. Alle Menschen bitten wir, einen achtsamen Umgang mit der Natur zu pflegen, auch wenn dieser persönliche Einschränkungen bedeutet.

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