Kreislaufwirtschaft: Drei Challenges und eine große Chance

von Gabriel A. Baunach und Jan Simeon Jöres

Wie Kreislaufwirtschaft unser tägliches Leben ändern muss!

Wie müsste eine Ökonomie aussehen, die das 1,5-Grad-Ziel erreicht? In diesem Beitrag wollen wir dir zeigen, dass dies möglich ist, wenn Politik, Industrie und Gesellschaft zusammenarbeiten. “Wir”, das sind Jan und Gabriel von Climaware, einer Aufklärungsinitiative zur Klimakrise.

Wenn wir die Klimakrise wirklich entschärfen wollen, braucht es eine vollumfängliche Transformation unseres bisherigen Wirtschaftssystems. Statt eines einmaligen Ressourcenverzehrs zur Produktion von Verbrauchsmaterialien, die nach der Nutzung sofort entsorgt werden, müssen wir zukünftig im Kreislauf wirtschaften. Im Kern meinen wir damit, dass die Industrie von morgen Ressourcen nicht nur einmal verwenden, sondern diese nachhaltig immer wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückführen sollte. Von dieser sogenannten “Kreislaufwirtschaft" (engl. "Circular Economy”) trennen uns allerdings drei große Herausforderungen.

Erste Challenge: Wir alle müssen unseren Konsum langfristiger auslegen

Die Kreislaufwirtschaft braucht unserer Meinung nach eine andere Konsumkultur, in der jede*r Einzelne sich wieder daran gewöhnt, Güter dauerhaft zu verwenden und sie dadurch langfristig im Kreislauf zu halten. Heute besitzen die Österreicher*innen beispielsweise ihre Fernseher im Schnitt nur für rund 8 Jahre, wobei durchaus 12,5 Jahre wünschenswert wären. Das geht aus einer 2019 durchgeführten Statista-Umfrage zu nachhaltigem Konsum hervor. Kleinere Defekte oder Mängel lassen sich meist leichter reparieren als man glaubt. Statt eines ganz neuen Handys reicht oft auch schon ein neuer Akku, um wieder die gewohnte Leistung zu bringen. Und natürlich muss man nicht immer, sobald ein neues Gerät auf den Markt kommt, auch gleich ein neues Handy kaufen. Kleidertauschpartys & Co. sind tolle Möglichkeiten, um Ressourcen zu sparen und sich dennoch einen kleinen Traum zu Erfüllen.

Ein anderer Gebrauchsgegenstand, bei dem wir die Nutzungszeit maximal verkürzt haben, sind Einweg-Kaffeebecher. Allein in Wien landen jährlich 84 Millionen dieser Coffee-to-go-Becher im Müll – und das bei gerade einmal 1,9 Millionen Einwohner*innen. Diese To-go-Becher sind aktuell zum Großteil nicht wiederverwendbar und nur wenige Minuten im Einsatz. Das können wir definitiv besser... Durch unser eigenes handeln werden wir die Klimakrise allerdings nicht lösen.

Zweite Challenge: Die Politik muss für mehr Recycling sorgen

Die zweite Herausforderung, die wir sehen, bezieht sich auf das Thema Recycling. Wenn man sich einmal vor Augen führt, dass in Österreich nur 28 Prozent der Kunststoffabfälle recycelt und 71 Prozent “thermisch verwertet” (in anderen Worten verbrannt) werden, wird uns sofort der hohe Nachholbedarf deutlich (Quelle: Bundesumweltamt). Nur die Politik kann diesen Prozess grundlegend umsteuern. Die Niederlande etwa erhöhten ihre Abfallgebühr von 13,21 € pro 1.000 kg im Jahr 2018 auf 32,12 € in 2019, um das Recylingverhalten zu verbessern. Eine Politik, die Erfolge zeigt. Schmissen die Niederländer*innen 2005 durchschnittlich noch 599 kg Müll weg, waren es 2019 nur mehr 504 kg. In Österreich entwickelt sich dieser Trend jedoch leider in die entgegengesetzte Richtung.

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Auch jenseits vom Thema Recycling kann staatliches Handeln vieles bewirken. Über steuerliche Anreize und Subventionen etwa lassen sich Forschungsprojekte zur Kreislaufwirtschaft unterstützen. So ermäßigte Frankreich die Umsatzsteuer für Aktivitäten, die mit der Circular Economy zusammenhängen. Finnland, Portugal, Schottland und die Slowakei wiederum versuchen staatlicherseits, vor allem solche Produkte zu beschaffen, die mit den Zielen der Kreislaufwirtschaft vereinbar sind (Quelle: acatech - Deutsche Akademie der Technikwissenschaften). Im Regierungsabkommen zwischen ÖVP und Grünen bekräftigen die beiden Regierungsparteien ganz ähnlich, zukünftig öko-soziale Vergabekriterien in die Beschaffungsrichtlinien mit aufzunehmen. Schreib doch mal deinen Nationalratsabgeordneten, ob sie dazu beitragen, dass aus diesem Versprechen auch eine Tatsache wird. Hier geht es auf direktem Wege zu allen Kontaktadressen der Nationalrät*innen.

Dritte Challenge: Die Industrie muss ihr Schubladendenken überwinden

Die dritte Herausforderung richtet sich an die produzierende Industrie. Hier müssen die Akteure solche CO2-Emissionen, die unvermeidbar in Industrieprozessen entstehen, in den Kreislauf einbeziehen, statt sie wie bisher in die Atmosphäre auszustoßen. Dieser Punkt ist sicherlich sehr abstrakt, daher bringen wir hier ein konkretes Beispiel: Eines der prominentesten und wichtigsten Güter unserer modernen Zivilisation ist Beton. Beton klingt nicht gerade spannend, aber es wird geschätzt, dass weltweit für die nächsten 40 Jahren das Äquivalent von New York City jeden Monat aufgebaut wird. Nun ist es so, dass die Zementindustrie zwingend CO2 freisetzt, weil diese nicht austauschbare Einsatzstoffe nutzt und das CO2 direkt bei den chemischen Reaktionen zur Herstellung von Zement entsteht. Dieses CO2 und seine Bestandteile ließen sich in anderen Industriezweigen (z.B. Chemie- und Kunststoffindustrie) weiter verwenden, wenn es einen ökonomischen Anreiz gäbe, dieses CO2 am Schornstein abzufangen (sog. “Carbon Capture”). Somit wird der fossile Kohlenstoff im Kreislauf gebunden und kann den Treibhauseffekt nicht mehr befeuern.

An dieser Stelle müssen wir uns einmal vergegenwärtigen, dass die Zementindustrie für etwa sechs bis sieben Prozent aller CO2-Emissionen weltweit verantwortlich ist. Wenn es also gelingt, diese Emissionen durch “Carbon Capture” und anschließende Kreislaufführung einzusparen, vermindern wir den Treibhausgasausstoß auf der Welt um etwa 2,4 Milliarden Tonnen CO2 jährlich (Quelle: Global Carbon Project). Zum Vergleich: Die gesamten Emissionen aller Straßenfahrzeuge der Welt pro Jahr betragen in Summe 3,6 Milliarden Tonnen CO2. Das wäre also so, als ob wir zwei Drittel des weltweiten Straßenverkehrs stilllegen würden. In Politik und Industrie werden große Maßnahmen getroffen, die in keinem Verhältnis zum Handeln Einzelner stehen.

Durch eine konsequente Anwendung von der Kreislaufwirtschaft können nach ambitionierten Berechnungen sogar bis zu 56 Prozent der Emissionen aus den Wertschöpfungsketten reduziert werden (Quelle: Material Ecconomics). Bereits im Jahr 2016 wurde durch erste Ansätze der Circular Economy innerhalb der EU (durch Reparaturen, Wiederverwendungen und Recycling) eine Wertschöpfung von fast 147 Mrd. Euro generiert (Quelle: Europäische Kommission). 

Falls dich jetzt das Kreislauf-Fieber gepackt hat und du mehr über Circular Economy erfahren willst, findet ihr hier ein spannendes Climaware-Interview mit Prof. Dr. Görge Deerberg vom Fraunhofer Institut UMSICHT. Darin erfährst du von Projekten in Deutschland, die daran arbeitet, das zirkuläre Wirtschaften zu ermöglichen. Wenn dich darüber hinaus Expert*innen-Interviews zur Klimakrise interessieren, kannst du gerne in den Climaware Podcast reinhören. Darin findest du interessante Themen, über die du auch gut in deiner FFF-Ortsgruppe diskutieren kannst.

Kontakt zu Climaware:
Über die Webseite oder per E-Mail an info@climaware.org.

Climaware vermittelt die Fakten der Klimawissenschaft (IPCC) einfach und verständlich über den Climaware Podcast, den eigenen Climaware Bericht und Videos. Zusätzlich werden Lösungsideen zur Klimakrise vorgestellt und diskutiert.

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